New Work ist eigentlich nichts Neues. Was das Thema aber so aktuell macht, sind die sich ergebenden technischen Möglichkeiten zur Selbstorganisation durch Digitalisierung. (Die ausführliche Erläuterung zur Begriffsherkunft findest Du hier.)
Die zugrunde liegenden Werte der Bewegung sind Selbstständigkeit, Teilhabe an der Gemeinschaft sowie Handlungsfreiheit. Seine Kapazitäten so einsetzen und verteilen zu können, wie man es selbst für sinn- und wertvoll erachtet. Klingt ein wenig nach romantischer Wunschvorstellung. Kann ein solches Szenario in kapitalistisch ausgerichteten Wirtschaftssystemen überhaupt funktionieren?
Die X-Y-Theorie
Douglas McGregor (The Human Side of Enterprise, 1960) unterscheidet zwei wesentliche Annahmen in Bezug auf Menschen und ihre Einstellung zu Arbeit:
a) Theorie X: Menschen sind arbeitsunwillig. Sie versuchen sie wo nur möglich zu vermeiden.

b) Theorie Y: Menschen sind engagiert. Sie sehen Arbeit als einen wichtigen Aspekt ihrer Selbstverwirklichung.

Unter Berücksichtigung der o. g. Werte von New Work, funktioniert diese nur unter der Annahme von Theorie Y. Denn wären Menschen fauler Natur und müssten immer zur Arbeit getrieben werden, würden sie auch nicht selbstständig arbeiten wollen.
Die Grundannahme ist also: Menschen möchten arbeiten, Wert stiften, etwas (subjektiv) Sinnvolles tun. Überträgt man diesen Gedanken auf die Arbeitswelt, entspricht es dem Wunsch nach Wertschöpfung. Also dem eigenen positiven Beitrag zu einem großen Ganzen, das der Befriedigung konkreter Kundenbedürfnisse dient. Wer ist nicht stolz, für ein Unternehmen mit zufriedenen Kunden zu arbeiten, wenn sie/er auch noch einen Beitrag dazu leisten kann?
Tätigkeiten, die nicht auf dieses Ziel einzahlen, stehen im Gegensatz zu dem Bedürfnis nach wertschöpfender Tätigkeit. Sie vermitteln eher ein Gefühl von Beschäftigung. Leider bestimmen sie den Arbeitsalltag wesentlich. Sie dienen aber nicht primär der Wertschöpfung, sondern vielmehr der gegenseitigen Kontrolle und Aufrechterhaltung selbstauferlegter Regeln.
Berechtigterweise werden derlei Tätigkeiten immer häufiger in Frage gestellt und damit auch das gesamte Konzept der gängigen Arbeitsgestaltung. Ein Beispiel dafür ist das Überdenken starrer Arbeitszeitmodelle. Warum nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, wenn die reine Anwesenheit von Mitarbeiter*innen nicht automatisch für mehr Produktivität sorgt? Warum nicht Mitarbeiter*innen mehr Gestaltungsfreiheit einräumen, wenn in vielen Bereichen die Produktivität durch technischen Fortschritt steigt? Wenn die Diskussion um New Work hitzige Züge annimmt, dann liegt der Kern des Problems doch eigentlich wo ganz anders.
Folgen einer Vertrauenskultur
Vertrauen ist die Basis jeder funktionierenden Beziehung – und zwar jeglicher zwischenmenschlicher Art. Dazu zählen auch die Beziehungen zwischen Arbeitskolleg*innen. New Work zeichnet sich durch Selbstbestimmung und -organisation aus. Sei es als Einzelperson oder im Team. Diese Selbstbestimmung erfordert aber auch eine enge Abstimmung untereinander sowie das gegenseitige Vertrauen, sich aufeinander verlassen zu können. Damit New Work funktionieren kann, braucht es also eine Vertrauenskultur.
Geht die Unternehmenskultur von einem positiven Menschenbild nach Theorie Y aus, werden Menschen das in sie gesetzte Vertrauen nicht missbrauchen, sondern sich wiederum engagieren. Denn sie reagieren mit ihrem Verhalten auf ihr Umfeld. Ein durch Vertrauen geprägtes Arbeitsumfeld zeichnet sich durch
- Gleichwertigkeit und
- Gleichberechtigung
aller aus. Um diese Werte ins Unternehmen zu transportieren, bedarf es eines aufrichtig wertschätzenden Umgangs miteinander. Nach dem Motto „Der Ton macht die Musik“, liegt die Herausforderung in der Art und Weise der Kommunikation – nonverbale explizit miteingeschlossen.
Im Rahmen einer solchen Vertrauenskultur werden Menschen nicht automatisch dazu übergehen, dieses Umfeld zu destabilisieren, indem sie sich unkollegial verhalten. Vielmehr wird es dazu ermutigen, sich verantwortungsbewusst und verlässlich zu zeigen.
In diesem Rahmen können auch jegliche technische Möglichkeiten genutzt werden, um die Ideen und Konzepte neuer Arbeitsmethoden auszuprobieren. Was letztlich zählen sollte, ist das Ergebnis. Und der beste Indikator dafür ist – neben Rentabilität – noch immer die Kundenzufriedenheit.
Welche Form der Arbeitsgestaltung die Richtige ist, müssen letzten Endes die Beteiligten gemeinsam für sich entscheiden. New Work schafft aber die Möglichkeit, alles zu überdenken, die Digitalisierung miteinzubeziehen und den Kern der Arbeit (nämlich die Befriedigung von Kundenbedürfnissen) wieder in den Mittelpunkt zu stellen.