In meinem Beitrag zum Thema Employer Branding (Dezember 2019) habe ich schon einmal über die Bedeutung von Kommunikation, die Relevanz der aktiven Gestaltung einer Marke und Employer Branding als wesentlichen Teil dessen geschrieben. Da ich kürzlich einen Workshop mit ähnlichem Schwerpunkt geleitet habe, nehme ich die key learnings daraus als Anlass, das Thema auch hier mal wieder näher zu betrachten.
Ausgangspunkt des Workshops für die Mitglieder der Voices of Brand Community, einem öffentlichen Netzwerk für Markeninteressierte Menschen und ins Leben gerufen von Frontify, einem schweizer Unternehmen für Branding Software, war die Frage nach der richtigen Verortung von Employer Branding in Organisationen. Gestartet als klassisches HR-Thema, hat es mittlerweile einen viel breiteren Fokus, der sich auf unterschiedlichste Unternehmensbereiche erstreckt. In der praktischen Umsetzung findet diese Interdisziplinarität jedoch noch wenig Berücksichtigung und Employer Branding bleibt oft nur ein Teil des Recruitings.
Ziele von Employer Branding
Um zu verstehen, woher die Interdisziplinarität von Employer Branding kommt, macht es Sinn, einen Blick auf dessen übergeordnete Ziele zu werfen. Diese sind, kurz gesagt:
- Die langfristige Verbesserung der Geschäftsergebnisse durch Gewinnen und Halten der richtigen Mitarbeiter:innen und
- das positive Einwirken auf den Markenwert eines Unternehmens.
Die Zielgruppen von Employer Branding sind sowohl bestehende als auch potenzielle Mitarbeiter:innen. Durch die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität – insbesondere nach innen gerichtet – soll eine möglichst motivierte und engagierte Belegschaft entstehen, die durch hauptsächlich folgende Effekte positiv auf das Erreichen der Unternehmensziele einwirkt:
- Weniger Krankheitstage
- Höhere Leistungsbereitschaft
- Weniger Fluktuation
- Mehr Kreativität in der Produktentwicklung und Lösungsfindung…
- …und dadurch höhere Innovationskraft des Unternehmens
- Effizientere Rekrutierung neuer Mitarbeiter:innen
- Positives Unternehmens- und Arbeitgeber-Image
Tatsächlich werden Employer-Branding-Maßnahmen aber leider häufig mit einem reinen Recruiting-Fokus umgesetzt. Die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität konzentriert sich auf die Vermarktung des Unternehmens nach außen und die Konsequenz ist nicht selten der Verlust von Authentizität, weil Versprechen und Arbeitsrealität zu weit voneinander abweichen.
Die o. g. Ziele lassen sich nicht allein dadurch erreichen, dass Employer Branding seinen HR-Fokus behält bzw. die Verantwortlichkeiten alleine dort liegen, auch wenn das Recruiting eine wichtige Schnittstelle zu HR ist und weiterhin bleibt. Doch die Zufriedenheit bestehender Mitarbeiter:innen wird im Unternehmensalltag nicht (nur) von HR, sondern von vielen anderen Faktoren des Arbeitsalltags beeinflusst, welche die Unternehmenskultur ausmachen.
Wesentlich sind hier beispielsweise:
- Das Führungsverständnis und Vorgesetztenverhalten
- Die Team-Struktur
- Die Organisation von Aufgaben
- Die Bezahlung
- Mögliche Benefits, die andere Unternehmen eventuell nicht bieten
- Die rationale Nachvollziehbarkeit strategischer Entscheidungen aus dem Management
In Summe kommen sehr viel mehr Faktoren zum Vorschein, die sich nicht durch einen reinen HR-Fokus lösen bzw. durch HR beeinflussen lassen, da deren Gestaltungsbereich für eine ganzheitliche Umsetzung beschränkt ist. Eine scheinbare Lösung könnte nun sein, den Verantwortungsbereich zu erweitern, was aber weder realistisch ist noch effizient wäre. HR kann und sollte beispielsweise nicht in die Lage versetzt werden, auf Team-Strukturen einzuwirken. Hier sind die einzelnen Geschäftsbereiche, Teamleiter etc. in der Verantwortung und müssen dies auch bleiben. Auch sämtliche Facetten rund um die Innovationskraft, Außenwirkung und Außendarstellung eines Unternehmens sind Aufgaben, deren Verantwortung andere Unternehmensbereiche (wie die Produktentwicklung oder das Marketing) tragen. Aber:
Durch die Kenntnis der Zielgruppe und die Erfahrung im Umgang mit Belangen von Mitarbeiter:innen kann HR eine unterstützende und/ oder beratende Funktion einnehmen und dadurch einen entscheidenden und aktiven Mehrwert leisten.
Crossfunktionalität
Was bedeutet das für das Zusammenspiel der Einflussbereiche von Employer Branding und wie können Verantwortlichkeiten optimal verteilt und Ergebnisse nachgehalten werden? Eine allgemeingültige Antwort darauf zu geben kann nur falsch sein, da jedes Unternehmen anders aufgestellt ist und eigene Dynamiken aufweist.
Es macht aber trotzdem Sinn, sich aufgrund der ausgeprägten Crossfunktionalität von Employer Branding mit der Aufteilung der Verantwortlichkeiten zu befassen. Eine wesentliche Rolle spielt hier das obere Management, welches die strategische Relevanz von Employer Branding und dessen verschiedener Einflussbereiche erkennen sollte. Nur dann können entsprechende Mandate verteilt und Prioritäten gesetzt werden, welche die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Akteure im Sinne der Ziele von Employer Branding auch erlaubt.
Erkenntnisse aus dem Workshop
In unserem Workshop wurden unterschiedliche Ansätze diskutiert und sowohl Marken- als auch HR-Experten aus großen Unternehmen der Industrie, Logistik und dem Agenturumfeld haben ihre Meinungen und Erfahrungen zu einem ganzheitlicheren (Employer-)Branding-Ansatz ausgetauscht. Die drei wesentlichen Erkenntnisse möchte ich im Folgenden teilen:
360°-KOMMUNIKATION
Kommunikation muss ganzheitlich stattfinden und darf nicht nur Einzelinteressen bedienen bzw. sich nicht nur auf einzelne Fokuszielgruppen (wie z.B. Kund:innen) konzentrieren. Stattdessen braucht es eine allgemeine Anerkennung der Tatsache, dass Kommunikation immer in alle Richtungen stattfindet und alle Botschaften auch alle Zielgruppen erreichen können. Insbesondere, da eine Person auch mehreren Zielgruppen angehören kann (Kundin/ Konsumentin und potenzieller Mitarbeiter).
Die Herausforderung ist hier in der Regel nicht die Einsicht dieser Tatsache, sondern die Bereitstellung der für eine adäquate Umsetzung benötigten Ressourcen. Da der Erfolg kommunikativer Maßnahmen oft nur indirekt oder mittel- bis langfristig messbar ist, werden Ressourcen oft auch nur knapp bemessen.
Co-Ownership
Durch die Komplexität des Themas Employer Branding und der starken interdisziplinären Ausrichtung macht es Sinn, über Co-Ownership nachzudenken, also einer geteilten Verantwortung für unterschiedliche Employer-Branding-Ziele. Hierdurch wären die Aufgaben auf diejenigen Abteilungen und Unternehmensbereiche verteilt, die auf bestimmte Zielgrößen auch wirklich Einfluss nehmen können – beispielsweise die Unternehmenskommunikation als Verantwortliche für das Arbeitgeber-Image und HR für die Überwachung der internen Zufriedenheit, Fluktuation und Krankheitstage.
Allerdings bräuchte es auch hier wieder klare Mandate und Verantwortlichkeiten, die in ihrer geteilten Verantwortung wiederum tatsächlich zusammenarbeiten und sich regelmäßig über Maßnahmen und Zielerreichungen austauschen. Das Beschreiten des gemeinsamen Weges zur Erreichung gemeinsamer Ziele muss – beispielsweise in Form einer gemeinsamen Vision, Mission und Strategie – klar formuliert sein und verfolgt werden.
persönliches Fazit: Perspektivwechsel
Vielleicht haben wir eine neue Stufe der Vernetzung erreicht, die sich im Employer Branding besonders früh bemerkbar macht. Vielleicht zeigt uns Employer Branding aber auch nur, dass gute Ergebnisse schwieriger erreicht werden, wenn der Blick auf’s große Ganze verloren geht.
Während ältere Organisationsmodelle auf klare Verantwortlichkeiten und individuelle Kennzahlen und Zielerreichungen gesetzt haben, erkennen wir heute fast überall die Relevanz gut aufeinander abgestimmter Maßnahmen und – damit einhergehend – guter Kommunikation. Sei es bei internen Projekten, der Entwicklung eines neuen Produktes oder der Definition unternehmensstrategischer Ziele: Überall sind interdisziplinäre Zusammenhänge zu finden, die nicht (mehr) von nur einer oder einigen wenigen Personen allein überblickt werden können, sondern wo es unterschiedliche Kompetenzen braucht, die zusammenkommen und ihr Wissen teilen müssen.
Im Employer Branding wird diese Crossfunktionalität und Interdisziplinarität besonders deutlich. Es ist Zeit, das anzuerkennen und darauf aufzubauen.