Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group, veröffentlichte kürzlich einen Beitrag auf Xing – mit dem Titel Wir dürfen Werte nicht an der digitalen Garderobe abgeben.
Birken geht es in seinem Artikel um den Vertrauensverlust in die Wirtschaft und ihre gestaltenden Akteure (belegt durch das aktuelle Forsa-Vertrauensranking), die durch Finanzkrise, Panama Papers, Manipulationsskandale, etc. für Negativschlagzeilen sorgen und mit ihren Praktiken den wirtschaftlichen Handlungsfreiraum mittelfristig gefährden könnten.
Die Lösung ist für Birken größtmögliche Transparenz in Bezug auf gelebte Werte, wie z.B. im Umgang mit Daten, der Umwelt oder Mitarbeiter*innen. Doch was bedeutet das konkret?
Eine Definition: „Werte sind Maßstäbe für das individuelle Handeln, für das gemeinschaftliche Interagieren und Handeln, sowie für die Bewertung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Werte charakterisieren die Wirklichkeit zum Besseren oder zum Schlechteren durch die Beurteilung des individuellen, gemeinschaftlichen und des politischen Tuns und Handelns.“ (Wien, Franzke, 2014: Unternehmenskultur, S. 19)
Werte sind also ein Gradmesser dafür, welches Verhalten Menschen als gut und welches sie als schlecht empfinden. Bedeutet dies, dass manche Unternehmen ihrem Handeln „falsche“ Werte zugrunde legen? Wenn man die Unternehmen direkt fragen würde, lautete die Antwort mit Sicherheit „nein“. Denn das Problem beginnt ohnehin eine Ebene tiefer. Um zu verstehen, weshalb manche Unternehmen regelmäßig gegen ihren eigenen Wertekodex verstoßen, muss dieser im Gesamtkontext betrachtet werden. Und dieser lautet Unternehmenskultur. Sie besteht (nach Schein, 1985) aus drei Schichten:
- Symbole und Zeichen: sichtbar, aber interpretationsbedürftig
- Öffentlich propagierte Werte und Normen: teilweise sichtbar, teilweise unbewusst
- Grundlegende, unausgesprochene Annahmen: unbewusst und unsichtbar, teilweise für selbstverständlich gehalten.
Entscheidend hierbei ist, dass die eigentliche Basis und der Ursprung von Werten und Handlungen – nämlich die grundlegenden Annahmen – unausgesprochen bleiben. Es handelt sich also um ein sehr komplexes System, an das sich Menschen mit ihrer Kultur und ihren Handlungen stillschweigend anpassen.

Grundsätzlich ist daran nichts verkehrt. Doch es können Störungen auftreten. Und zwar dann, wenn diese grundlegenden, unausgesprochenen Annahmen auseinanderlaufen bzw. davon ausgegangen werden kann, dass gewisse Handlungen unter der Hand gebilligt werden, auch wenn sie nicht unbedingt den propagierten Werten und Normen entsprechen. Sollte dabei etwas schiefgehen, kann man sich gegenüber der empörten Öffentlichkeit ja immer noch auf das Propagierte berufen.
New Work ermöglicht es, dass eine neue Ordnung Einzug in die Arbeit und Unternehmensorganisation erhält. Ob man es aktiv gestaltet oder auf sich zukommen lässt, passieren wird es durch die fortschreitende Digitalisierung unserer Umwelt so oder so. Möchte man diesen Umstand aber als Chance verstehen und aktiv gestalten, sollte man sich auch mit den grundlegenden, unausgesprochenen Annahmen auseinandersetzen. Die Gefahr besteht sonst, dass diese sehr unterschiedlich getroffen werden. Coaches, Berater oder neue Mitarbeiter können hier mit ihrer neutralen Sicht auf die Dinge Licht ins Dunkel bringen. Ein Zitat von John Havens, das ich dazu passend heute im intrinsify.me-Blog gelesen habe: „Wie sollen Algorithmen wissen, was unsere Werte sind, wenn wir sie selbst nicht formulieren können?“